Schöpfungstheologie

Schöpfungstheologie

 

Meine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der theologischen Schöpfungslehre und der theologischen (und philosophischen) Anthropologie sowie der Tier-Theologie. Unter Einbeziehung aktueller Forschungsergebnisse aus Evolutionstheorie, Ethnoprimatologie und den Human-Animal Studies geht es mir darum, die Frage nach dem Menschen erneut zu stellen.

Ich tue dies aus der Überzeugung, dass die eine Bestimmung des Verhältnisses von menschlichen zu nichtmenschlichen Tieren, mit einer theologischen Anthropologie, die den Menschen als Mittelpunkt und in jeder Hinsicht dem Nichtmenschlichen überlegen begreift, nicht weiterführend ist. Ich bin daher davon überzeugt, dass ein theologischer Paradigmenwechsel hin zu einer angemessenen Wahrnehmung von Nichtmenschlichem – nicht ausschließlich, aber in erster Linie – durch eine Herausforderung und Veränderung aktueller theologischer Anthropologien stattfinden kann. Zwar liegen überzeugende Forschungsergebnisse vor, die Tierrechte dadurch stärken wollen, dass eine Nähe und Ähnlichkeit des Tiers zum Menschen oder des Menschen zum Tier aufgezeigt wird (Sprache, Werkzeuggebrauch, Sozialität, Schmerzempfinden etc.), allerdings funktionieren diese Ansätze häufig aufgrund eines zuvor konstatierten und akzeptierten Anthropozentrismus. Ihre Methode: der Vergleich. Tierrechte werden hier an Menschenrechten orientiert und in mehr oder weniger starker Abstufung geltend angewandt – und zwar nachdem zuvor (vom Menschen!) festgelegt wurde, welche Ähnlichkeit welche ethischen Implikationen nach sich zieht (und welche nicht). Problematisch ist ein solches Vorgehen, da der Maßstab aller Überlegungen der Mensch und insofern unweigerlich die Überzeugung einer, wenn auch noch so kleinen, Überlegenheit des Menschen und Einzigartigkeit menschlicher Fähigkeiten ist.

Meiner Ansicht nach ist es Zeit für einen Paradigmenwechsel: Weg von einer Anthropologie und anthropologischen Ethik, die auf der Vorstellung der menschlichen Einzigartigkeit basiert und sich entlang der Frage des „inwiefern und wo unterscheiden sich Mensch und Tier“ bewegt, hin zu einer Theologie und Ethik, die fragt, wie Existierendes intersozial (horizontal) verbunden ist. Es geht darum, die gemeinsamen Ursprünge, die geteilte Geschichte und gegenwärtige Performanz von Leben über Artengrenzen hinweg zu verstehen und eine holistische Theologie des Lebens zu begründen. Es geht um eine Schöpfungstheologie, der zwar grundlegend an einer Stärkung von Tierrechten gelegen ist, dies allerdings nicht primär durch einen Fokus auf selbige erreicht. Vielmehr wird der Blick auf eine Herausforderung der gegenwärtigen theologischen Anthropologie gelenkt und ihre Konzepte einer ganzheitlich gedachten Schöpfungstheologie – im Sinne einer planetarischen Solidarität – entgegenstellt, die sich ihrer Situierung in jenem Zeitalter bewusst ist, in dem die terrestrischen Prozesse vom Menschen stärker beeinflusst sind als je zuvor – dem Anthropozän. Eine Würdigung des Nichtmenschlichen kann somit durch ein neues Bewusst-Werden über die Ko-Habitation und Ko-Kreation alles Lebendigen entstehen.

Ich behaupte, dass wir so lange mit der Frage der Bedeutung der Tiere nicht weiterkommen, so lange wir bei den Tieren ansetzen.

Der Mensch selbst sowie seine kulturellen und religiösen „Produkte“ sind Ergebnisse eines ko-kreatürlichen und ko-evolutiven Prozesses. Insofern ist es unbedingt notwendig, ein tieferes Verständnis dieses gemeinsamen Werdegangs zu erarbeiten. Statt den Menschen als den Anderen oder das Gegenüber zu allem Nicht-Menschlichen zu begreifen, gilt es, dem Angewiesen-Sein und Verwoben-Sein des Menschen mit den nichtmenschlichen-Lebensprozesse gewahr zu werden. Eine Schöpfungstheologie des 21. Jahrhunderts kann einen Beitrag zu einer größeren Gerechtigkeit gegenüber Nichtmenschlichem leisten, wenn sie die gemeinsame Geschichte des Lebens in einem gemeinsamen Narrativ zu deuten versteht.

Die politische Relevanz des Forschungsprojektes kommt insbesondere dort zum Tragen, wo auf den Zusammenhang von Anthropozentrismus, Speziesismus und Rassismus hingewiesen wird.

Mehr Informationen: European Research Network Transcending Species – Transforming Religion

Publikationen

 

2024

  • Julia Enxing/Christian Kern: Maßstab Mensch? Schöpfungs- und pastoraltheologische Überlegungen zu einem notwendigen Paradigmenwechsel kirchlicher und gesellschaftlicher Praxis, in: Diakonia 1/2024, 2–11.

  • Julia Enxing/Philipp Räubig: Perspektiven im Anthropozän. Über Ursprünge, Transformationen und Visionen einer Theologie der Mitgeschöpflichkeit, in: Olivia Mitscherlich-Schönherr/Mara-Daria Cojocaru/Michael Reder (Hg.): Kann das Anthropozän gelingen? Krisen und Transformationen der menschlichen Naturverhältnisse im interdisziplinären Dialog, Berlin 2024, 107–123.

  • Julia Enxing: Verführe uns, Du faltiger G*tt! Gedanken zur queeren Schöpfung, online unter: https://www.feinschwarz.net/verfuehre-uns-du-faltiger-gtt-gedanken-zur-queeren-schoepfung/ (06.01.2024)

  • Julia Enxing/Christian Kern: Maßstab Mensch? Schöpfungs- und pastoraltheologische Überlegungen zu einem notwendigen Paradigmenwechsel kirchlicher und gesellschaftlicher Praxis, in: Diakonia 1/2024.

  • Julia Enxing/Philipp Räubig: Perspektiven im Anthropozän. Über Ursprünge, Transformationen und Visionen einer Theologie der Mitgeschöpflichkeit, in: Olivia Mitscherlich-Schönherr/Mara-Daria Cojocaru/Michael Reder (Hg.): Kann das Anthropozän gelingen? Interdisziplinäre Perspektiven, Berlin 2024.

  • Julia Enxing/Gunda Werner: Schöpfung und Erlösung inklusiv gedacht, in: Gregor Maria Hoff/Julia Knop (Hg.): Konstruierte Schöpfung. Ein theologisches Motiv auf dem Prüfstand, QD 334, Freiburg 2024, 292-308.

2023

  • Julia Enxing: Was glauben wir, wer wir sind? Wir haben uns die Erde derart untertan gemacht, dass wir einander und anderen den Raum zum Atmen und zum Leben nehmen, in: Publik Forum Extra, November 2023, 27–29.

  • Julia Enxing: Wer Ohren hat, höre! (Mt 11,15) Über taube Ohren und wache Geister in der aktuellen Schöpfungstheologie, in: Magdalene L. Frettlöh/Matthias Zeindler (Hg.): «Offener nichts als das geöffnete Ohr». Motive einer Theologie des Hörens (reformiert!, Bd. 15), Zürich 2023, 157–177.

  • Julia Enxing: Tiere, in: Manuel Herder (Hg.): Was kommt, Was geht, Was bleibt. Kluge Texte über die wichtigsten Fragen unserer Zeit. Freiburg i. Brsg. 2023, 435–439.

  • Der Planet ist Teil des Göttlichen, Interview mit Julia Enxing, in: aufbruch. Unabhängige Zeitschrift für Religion und Gesellschaft, Nr. 263, 9. September 2023, Jahrgang 36, 14–15.

  • Julia Enxing: Er lockt uns heraus, in: andere zeiten. Magazin zum Kirchenjahr 02/03 2023, Hamburg 2023, 15–16.

  • Julia Enxing: Nehmen wir uns (nicht zu) ernst? Zur Relevanz einer Theologie, die mit G*tt im Rücken der Welt ins Gesicht schaut, Festrede anlässlich der Verleihung des Herbert Haag Preises 2023, online unter: https://www.feinschwarz.net/preis-fuer-freiheit-in-der-kirche-festrede-von-julia-enxing/ (26.03.2023)

2022

  • Julia Enxing: Und Gott sah, dass es schlecht war. Warum uns der christliche Glaube verpflichtet, die Schöpfung zu bewahren, München 2022.

  • Julia Enxing: Eine Ressource der Transformation. Anthropozentrismuskritische Schöpfungstheologie als Beitrag zu einer planetarischen Solidarität, in: ZPTh 42/2 (2022) 19–27.

  • Julia Enxing/Simone Horstmann/Gregor Taxacher (Hg.): Animate Theologies. Ein (un-)mögliches Projekt?, animate theologies Bd. 1, Darmstadt 2022.

  • Julia Enxing: Göttlich-kreatürliche Begegnungen und ihr Potenzial für einen „animal turn“ in der Theologie, in: Julia Enxing/Simone Horstmann/Gregor Taxacher (Hg.): Animate Theologies. Ein (un-)mögliches Projekt?, animate theologies Bd. 1, Darmstadt 2022, 151–182.

  • Philipp Räubig/Julia Enxing/Eva Karwowski:: ÜberLeben. Reflexionen aus fundamentaltheologischer Perspektive, in: Julia Enxing/Simone Horstmann/Gregor Taxacher (Hg.): Animate Theologies. Ein (un-)mögliches Projekt?, animate theologies Bd. 1, Darmstadt 2022, 230–250.

  • Julia Enxing: Your Kin-Dom come. Eine pneumatologisch-eschatologisch perspektivierte Theologie der Hoffnung, in: HerKorr Spezial 2022, 47–49.

  • Julia Enxing: Wenn sich der Wind dreht, müssen wir die Segel neu setzen. Plädoyer für einen theologischen Paradigmenwechsel, in: Lebendige Seelsorge 73. Jahrgang, 4/2022, 292–296.

  • Julia Enxing: Welt retten: Muss (ich) das jetzt sein?, online unter: https://www.katholisch.de/artikel/42263-welt-retten-muss-ich-das-jetzt-sein (04.12.2022)

  • Julia Enxing/Lena Scheidig: „…sie hat gemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmt…“. Sozialwissenschaftliche und theologische Zugänge zu Mensch-Tier-Begegnungen, in: Pastoraltheologie 111 (2022) 5–20.

2021

  • Julia Enxing: War Eden je ferner? Zur Ambivalenz ko-kreatürlichen Benennens, in: Simone Horstmann/Gregor Taxacher (Hg.): Theologische Objekte. Gottes Bezug zur Wirklichkeit. Festschrift für Thomas Ruster, Regensburg 2021, 172–178.

  • Julia Enxing: Entschieden anders?! Anthropozentrismus-kritische Impulse für eine multispeziessensible Schöpfungstheologie, in: Ökumenische Rundschau 70/3 (2021), 300-317.

  • Julia Enxing: Der Zusammenhang von konstruierter Andersartigkeit und Gewalt. Über religiös legitimierte Abwertungen des Nicht-Menschlichen und Nicht-Männlichen, in: Simone Horstmann (Hg.): Religiöse Gewalt an Tieren. Interdisziplinäre Diagnosen zum Verhältnis von Religion, Speziesismus und Gewalt, Bielefeld 2021, 77–106.

  • Julia Enxing: Schöpfungstheologie im Anthropozän. Gedanken zu einer planetarischen Solidarität und ihrer (theo)politischen Relevanz, in: Martin Lintner (Hg.): Mensch – Tier – Gott. Interdisziplinäre Annährungen an eine christliche Tierethik. Interdisciplinary Animal Ethics, Bd. 1, Baden-Baden 2021, 161–180.

2020

  • Julia Enxing: „Und Gott schuf den Erdling.“ Plädoyer für eine neue Anthropologie, die die nichtmenschliche Schöpfung mitdenkt, in: HerKorr 3 (2020) 24–26.

  • Julia Enxing: Wider den ökologischen Analphabetismus, in: Schweizer Kirchenzeitung (SKZ) 188/18 (2020) 366–377.

Radiobeiträge

 

2022

2021

2019

Miszellen

 

Tagungen